Gut gemeint in den Kontrollstaat
Das Parlament möchte Jugendliche besser vor Pornografie schützen. Was gut tönt, entlarvt sich als naive Schaumschlägerei und als weiteren Schritt in Richtung Überwachungsstaat.
Von Jérôme Schwyzer
Pornografie ist ein Problem. Sie zerstört unseren natürlichen Umgang mit der Sexualität, belastet und zersetzt Ehen und Beziehungen und vermittelt insbesondere unseren Kindern ein falsches und perverses, in den allermeisten Fällen frauenfeindliches Bild von Sexualität.
Dass unsere Kinder dieser Industrie bis zum heutigen Tag ziemlich schutzlos ausgeliefert sind, erstaunt mich immer wieder. Im Zeitalter der selbstfahrenden Autos und der zunehmenden künstlichen Intelligenz sollte es doch möglich sein, pornografische Seiten – quasi auf Knopfdruck – für Kinder unzugänglich zu machen? No way! Unmöglich. Viel eher hat hier eine grosse Industrie (circa 13 Milliarden Dollar Umsatz jährlich allein in den USA) ihre Finger im Spiel, die genau weiss, dass pornosüchtige Kinder irgendwann auch zu abhängigen Pornokonsumenten im Erwachsenenalter werden. Denn Pornografie wird leicht zur Sucht.
EVP-Nationalrat Nik Gugger greift deshalb mit seinem Vorstoss (Motion 20.3374: Unter-16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf dem Internet schützen) tatsächlich ein dringendes Problem auf. Ein Problem übrigens, von dem auch viele Erwachsene betroffen sind. Oft wären auch diese froh um einen «grünen Knopf», der ihnen Zugänge zu solchen Seiten verunmöglichen würde.
Dass Pornografie ein grosses Problem für unsere Gesellschaft darstellt, erkennen immer mehr Menschen, auch aus dem säkulären Bereich.
Neben christlichen Initiativen wie zum Beispiel free!indeed oder der seit zwei Jahren jährlich stattfindenden PornoFrei-Konferenz formiert sich auch in der nicht-religiösen Welt Widerstand. Das Projekt FightTheNewDrug macht sehr intelligent und eindringlich auf die Gefahren einer pornografisierten Gesellschaft aufmerksam. Es zeigt insbesondere, welche Auswirkungen diese Situation auf die Heranwachsenden hat. Die Folgen, zum Beispiel für unser Hirn, sind besorgniserregend, wie die Organisation auf ihrer Homepage belegt (unter «get the facts» kann sich jeder selber ein Bild machen).
Dass man also etwas gegen dieses Problem macht, als Staat, als Gesellschaft, liegt auf der Hand. Aber leider kommt auch bei dieser Thematik bei vielen Parlamentariern ein anti-liberaler Reflex ins Spiel. Sie möchten nun sämtliche pornografische Seiten mit einer Sperre belegen, die man nur umgehen kann, wenn man persönliche und deshalb sensible Angaben zur Person macht, also zum Beispiel eine Kreditkarte hinterlegt.
Dass solche Sperren leicht umgangen werden können, ist das eine Problem. Und es ist auch der Grund, weshalb man unseren Parlamentariern eine gewisse digitale Naivität vorwerfen muss.
Der zweite, wohl schwerwiegendere Einwand, hat mit dem Datenschutz zu tun. Denn: Trotz allem ist das Konsumieren von Pornografie in der Schweiz legal (sofern alle Beteiligten volljährig sind und freiwillig an diesen Filmen partizipieren). Wer also solche Videos aufruft, schadet sich zwar, aber eine freiheitliche Gesellschaft muss gerade dies seinen Bürgern zugestehen: Dass man die zugestandene Freiheit auch zum eigenen Schaden nutzen kann.
Wenn also eine mündige erwachsene Person einen pornografischen Film konsumiert, so ist das grundsätzlich ihr Recht. Dass ihr der Staat dafür persönliche Daten aus der Tasche ziehen will, ist aus rechtlicher Sicht unhaltbar – aus liberaler sowieso.
Der Ansatz müsste deshalb vielmehr in eine ganz andere, auf Freiwilligkeit basierende Richtung gehen. Dass dies dem Zeitgeist eines bevormundenden Staates zuwiderläuft, ist leider wahr, trotzdem sollten sich die freiheitlichen Kräfte in unserem Land zusammenraufen.
Ich schlage deshalb vor, dass der Staat dafür besorgt ist, dass Programme, die wirksam das Aufpoppen von pornografischen Seiten verhindern, bekannt gemacht werden. Er soll also dafür sorgen, dass alle Eltern, auch solche, die technisch wenig affin sind, den «grünen Knopf» finden, den sie auf dem Handy und dem Laptop ihrer Kinder installieren können. Hier würde die Schule im Sinne eines echten Jugendschutzes eine tragende Rolle spielen und die Eltern bei der Einrichtung und der Handhabe unterstützen.
Gleichzeitig können auch Erwachsene, die froh um einen solchen «Knopf» wären, ein Schutzprogramm herunterladen und den Schutz mit einem Passwort, das zum Beispiel ein guter Freund oder der Ehepartner allein kennt, schützen. Somit wäre all jenen geholfen, die Pornografie konsumieren, es aber im Sinne einer Abhängigkeit eigentlich gegen ihren Willen tun. Und der grosse Vorteil dabei: Der Bürger geht diesen Schritt freiwillig, ohne Zwang von Vater Staat.
Dass es solche Schutzprogramme jetzt schon gibt, ist noch zu wenigen Menschen bekannt. Convenanteyes ist zum Beispiel ein solches Programm. Dies bekannt(er) zu machen, wäre eine Initiative, die – gerade weil sie nicht auf Zwang und Datenabsaugen setzt – unserem immer stärker in das Leben des einzelnen hineinregierenden Staat gut anstehen würde.
Es wäre auch möglich, dass der Bund einer versierten Schweizer Firma den Auftrag zur Entwicklung eines eigenen Programms erteilt. Das wäre wahre Prävention und wahrer Jugendschutz – kombiniert mit Wirtschaftsförderung. Der Staat beziehungsweise in diesem Fall die Kantone und die Schulen könnten dann mit dieser Firma eine Partnerschaft eingehen und dafür sorgen, dass dieser Schutz auf allen Geräten der Schüler installiert würde.
Eltern, die einen anderen Weg wählen und mehr auf Eigenverantwortung ihrer Kinder setzen, würden auch respektiert, denn immerhin liegt die Haupterziehungsverantwortung – zumindest momentan noch – bei Mutter und Vater.
Und schliesslich würde mit einer solchen pragmatischen, aber sehr effektiven Lösung Big Tech nicht an noch mehr hochsensible Daten herankommen. Es wäre ein erster Schritt weg vom gläsernen zum mündigen Bürger.
Jérôme Schwyzer (38), Präsident des Lehrernetzwerks Schweiz, ist Vater zweier schulpflichtiger Töchter und ausgebildeter Sekundarlehrer.
Wir danken dem Autor für die Veröffentlichung des Artikels. Gastbeiträge müssen nicht zwangsläufig die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Ich finde, hier gäbe es eine sehr viel einfachere Möglichkeit: Provider sollen, meinetwegen staatlich verpflichtet, die Möglichkeit bieten, in jedem Hausnetz unkompliziert ein zusätzliches gefiltertes WLAN einzurichten, ähnlich dem, was Swisscom und andere in Schulen bereitstellen. Voilà.
Und das alles ohne auch noch einer zusätzliche private Firma, am Ende gar noch eine von Übersee, den gesamten Netzverkehr zu übermitteln.
Ich bin auch gegen eine Lösung, die den Kontrollstaat normalisiert. So etwas wie was LonelyLoon schlägt vor, wäre einen Schritt in der richtigen Richtung.
Nun, mit dem Pornokonsum, ist die Schade nicht nur an sich selbst, sondern an den eigenen Umgebung und Familie (es ist sogar ein wichtiges Faktor für die Ehescheidung!), und auch an allen die Männer und Frauen, die bei dieser Industrie tätig sind, oft wegen eine schwierige Finanzlage, wenn nicht wegen Opfer-Sein von Menschenhandel!
Wenn eine Gesellschaft so etwas erlaubt, dann muss sie auch die Konsequenzen dafür zahlen, inklusiv die Schaden an die eigenen Kinder! Es ist nicht umsonst, dass Gott die Menschheit von der Unzucht warnt (auf grieschisch: porneia), und wie es steht in der Bibel: “Irrt euch nicht: Gott lässt sich nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten.”