Das «Jemand muss etwas tun»-Forum
MASS-VOLL! war im Januar am Weltwirtschaftsforum in Davos hautnah dabei – und wurde aktiv.
Von Daniel Walti
Januar in Davos – Wenn sich jeweils im Frühjahr die Weltelite für eine kurze Zeit in die verschneite Landschaft von Davos verirrt und sich auf Kosten des Steuerzahlers vor ungewolltem Kontakt mit dem niederen Pöbel schützen lässt, dann ist wieder WEF-Zeit. Eine Zeit, in welcher Menschen aus aller Herren Länder an einen bestimmten Ort reisen, um darüber zu sprechen, dass man sich dank fortschreitender Digitalisierung für Lösungsfindungen nicht mehr an einem bestimmten Ort treffen muss, sondern «remote» von überall her arbeiten kann. Ein Treffen, an welchem für mehrere 10'000 Franken pro Nacht logiert werden kann, wobei dies noch die Untergrenze ist, an welchem Luxusgüter und Delikatessen konsumiert werden, während dem einfachen Pöbel empfohlen wird, sein Hab und Gut der hütenden Hand der Obrigkeit zu überlassen und Insekten zu verköstigen, um den Planeten zu retten. Am WEF wird entschieden, wer gut und wer böse ist auf dieser Welt.
Und natürlich darf auch die omnipräsente, menschheitsvernichtende Bedrohung der menschengemachten Klimahysterie nicht zu kurz kommen. Steigende Meeresspiegel, Luftverschmutzung durch den Verkehr, insbesondere den Flugverkehr, sowie auch die klimaschädlichen Essgewohnheiten der westlichen Welt waren am WEF schon Thema, bevor sich eine schwedische Schulschwänzer-Marionette auf die WEF-Bühne verirrt hat. Nach wenigen Tagen ist der Spuk wieder vorbei, und die Teilnehmer lassen sich von ihren Limousinen, welche sie auch unter der Woche für jede auch noch so kleine Distanz in Anspruch nehmen, zum Flugplatz oder noch besser zum Helikopter-Landeplatz in Davos kutschieren, steigen wieder in ihre Helikopter und ihre Privatjets und reisen zurück zu ihren Villen mit direktem Anstoss an den vermeintlich steigenden Meeresspiegel. Wer hier eine Doppelmoral erkennen kann, hat zweifelsohne ein Flair für Verschwörungstheorien.
Ein Stelldichein der Weltelite – und MASS-VOLL! ist nicht dabei? War dies nur ein Versehen, oder sollte man uns tatsächlich nicht für eine Einladung berücksichtigt haben? Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen und reichte Anfang November 2024 einen Antrag für den Zugang zum «Open WEF» ein. Das Open WEF ist der verzweifelte Versuch des WEF, ein wenig Bürgernähe zu zeigen und den Eindruck zu vermitteln, dass es keinesfalls ein undurchsichtiges, abgehobenes und elitäres Treffen für wenige Auserwählte ist. Für gewisse Podiumsdiskussionen werden Plätze an ausgewählte Untertanen freigegeben, damit auch diese sich an der unerschöpflichen Allwissenheit der Elite erfreuen dürfen
Nachdem ich also die hungrige WEF-Datenkrake mit meinen Angaben gefüttert hatte, erhielt ich ein Bestätigungsmail, dass man mein Gesuch inklusive Personenüberprüfung abchecken werde, um gründlich zu hinterfragen, ob die Sicherheitsfreigabe erteilt werden kann. Ich ahnte … Das war's! Ein kleiner Blick in meine Social-Media-Kanäle genügt, um ab dem Jahr 2020 meine Verwandlung von einem devoten, systemtreuen SVP-Politiker zu einem glühenden Verfechter von Freiheit und Menschenrechten nachverfolgen zu können. Zahlreiche Impressionen zeigen mich in der ganzen Schweiz, aber auch im Ausland, wie ich stolz und überzeugt die violette Flagge der Freiheit trage und «Liberté» schreiend durch unzählige Städte marschiere.

Bei einem Feierabendbier mit meinem guten Freund Nicolas A. Rimoldi lachten wir gemeinsam über meinen Versuch, mich ins Open WEF «reinzuschmuggeln», wissend, dass ich wohl niemals die Sicherheitsfreigabe erhalten werde. Mehrere Wochen lang hörte ich nichts, bis ich plötzlich eine E-Mail in meinem Posteingang vorfand, in welcher mir ein QR-Code für den Einlass zum Open WEF übermittelt wurde. Ich konnte es kaum fassen. Also habe ich tatsächlich die Sicherheitsfreigabe für das WEF erhalten? Ich frage mich, was hat denn eigentlich für mich gesprochen? Vielleicht fiel ins Gewicht, dass ich mich an der renommierten Harvard Universität im amerikanischen Boston fortbilde, welche als Kaderschmiede vieler neuzeitlicher, woker Ideen gilt. Oder dass ich mich über viele Jahre in systemtreuen Parteien engagierte, für welche ich auch wiederholt zu Wahlen angetreten bin? Indizien, dass ich mir einen Platz am Tisch der Weltverbesserer verdienen könnte? Ich werde es wohl nie erfahren.
Die Höhle der Globalisten
Auf Basis der Einlassbestätigung fasste ich eine Veranstaltung am 20. Januar 2025 ins Auge, zufälligerweise genau an jenem Tag, an welchem MASS-VOLL! in Davos gegen das WEF demonstrierte. In Absprache mit den Kollegen vor Ort machte ich einen grossen Bogen um diese Aktion, um nicht meine Teilnahmechance an der WEF-Podiumsdiskussion zu riskieren, indem ich mich als kritischer Beobachter oute. Das Diskussionsthema an diesem Podium war «Inklusion und Chancengleichheit für alle», welches begleitet wurde von Slogans wie «Alle Fähigkeiten sind willkommen» und «Chancengleichheit in Beruf und Schule». Ein Thema, von welchem ich mich durchaus angesprochen fühlte, trieb mich doch auch das Verlangen nach Gleichberechtigung in den vergangenen Jahren wiederholt auf die Strasse.
Ich musste miterleben, wie zahlreiche mir nahestehende Menschen aufgrund der menschenverachtenden Corona-Massnahmen, der zwanghaften Meinungsgleichschaltung durch die Leitmedien und die Willkür von Regierungen und Behörden erhebliche Nachteile in Bildung und Beruf erleiden mussten. Ganz zu schweigen von Benachteiligungen im Privatleben, wie partiellem Ausschluss vom gemeinschaftlichen Leben oder Rauswurf aus Vereinen und anderen öffentlichen Organisationen. Ereignisse und Entwicklungen, für welche nicht wenige der WEF-Teilnehmer persönlich verantwortlich sind. Ereignisse, welche mich aber schlussendlich zum freien Denken und zu meinem Engagement für die Freiheitsbewegung und zum Austritt aus systemabhängigen Parteien und politischen Organisationen veranlassten.
So betrat ich also die Höhle der Globalisten. Zuerst hiess es, Schlange stehen, mit ein paar wenigen Normalsterblichen und vielen internationalen Besuchern, welche mit der standhaften Weigerung, sich in eine Schlange einzureihen, ihre Dominanz gegenüber dem einheimischen Pöbel unterstreichen wollten. Einige wurden in ihren Nobelkarossen direkt an den Eingang gefahren, andere liessen sich nicht weniger nobel im 5-Sterne-Bus absetzen. Als ich endlich an der Reihe war, durfte ich brav meinen QR-Code zeigen, wobei dieser sogleich mein wunderschönes Antlitz auf das Kontrollgerät der Kontrolleurin am Eingang projizierte. Nachdem bestätigt wurde, dass ich tatsächlich ich bin, durfte ich weiter zur Sicherheitskontrolle. Diese unterschied sich nicht von jener am Flughafen. Ausser, dass die Schlange etwas länger war.
Als ich dann endlich an der Reihe war, ging es schnell und unkompliziert. Mein Gepäck wurde kurz durchleuchtet, und schwupps, war ich drin. Ohne zu zögern, machte ich ein paar Selfies für Social Media, nur falls alles ein Versehen war und ich sofort wieder rausgeschmissen werde. Ich suchte mir ein Plätzchen am Rand aus, wo ich ungestört Notizen machen konnte, um meine Erlebnisse anschliessend niederzuschreiben. Bei einem spontanen WC-Besuch musste ich mit einem Schmunzeln feststellen, dass die Kabinen mit Stickern von MASS-VOLL! verschönert waren. Ein Genuss fürs Auge. Auch schon auf dem Weg zum Kongresszentrum durfte ich wiederholt ins Gesicht von Klaus Schwab auf zahlreichen MASS-VOLL!-Stickern blicken, welcher mir sagt: «Du wirst nichts besitzen und Käfer essen». Da hatten irgendwelche Freiheitskämpfer bereits ganze Arbeit geleistet.

Als ich da im warmen Innern des Auditoriums sass und auf den Beginn der Podiumsdiskussion wartete, hielt ich kurz inne und widmete meine Gedanken den tapferen Freunden bei der Standaktion von MASS-VOLL! auf der Davoser Promenade. Trotz der eisigen Kälte fürchtete ich nicht um meine Freunde, wissend, dass sie mit nahrhaften Insekten, zubereitet nach Schwab'scher Art, kulinarisch bestens versorgt waren, um der Kälte zu trotzen. Eine Kälte, die von Jahr zu Jahr bissiger zu werden und fast schon in schwurblerischer Manier den Weltuntergangsszenarien der Globalisten zu trotzen scheint. In der Reihe vor mir wurde eifrig über die heutigen Protestaktionen diskutiert. Über die Jünger der menschengemachten Klimahysterie, welche es als förderlich ansahen, die Strasse nach Davos zu blockieren und Gebäude zu beschmieren. Aber natürlich auch die Insekten-Degustation von MASS-VOLL!.
Dann wurde der Fokus wieder auf globale Themen gelenkt. Beispielsweise die bevorstehende Vereidigung von Präsident Trump oder die verheerenden Brände in Kalifornien, welche bestimmt dem Klimawandel und den Dürren in Kalifornien geschuldet sind. Für einen kurzen Moment wollte ich mich einmischen und auf den Umstand hinweisen, dass Kalifornien in den vergangenen zwei Jahren Rekordmengen an Niederschlägen verzeichnen durfte und dennoch bei Brandausbruch vor leeren Reservoirs und noch leereren Hydranten stand. Es muss bequem sein, jedes noch so offensichtliche Politikversagen auf den Klimawandel schieben zu können. Ich wünschte, mein Verstand wäre derart begrenzt, ich hätte es so viel leichter im Leben. Im letzten Moment konnte ich meine instinktive Triggerung durch intellektuell limitierte Menschen unterdrücken und schwieg, wollte ich mich doch lieber nicht als selbstdenkender Mensch inmitten einer solchen Veranstaltung outen.

Der Bund der Auserwählten
Pünktlich um 18.30 Uhr betraten die Protagonisten des heutigen Podiums die Bühne. Angeführt von Urs Gredig, welcher die Diskussion leitete. Bestens bekannt als Moderator diverser Sendungen im staatstragenden Gebührenfernsehen SRF, unter anderem auch durch sein eigenes Format «Gredig direkt», in welchem er in regelmässigen Abständen Persönlichkeiten zum Gespräch einlädt. Zumindest fast regelmässig. Treuen Zuschauerinnen und Zuschauern fiel vielleicht auf, dass er die erste Sendung von 2022 absagen musste, da er sich mit dem gemeingefährlichen und heimtückischen Coronavirus infiziert hatte, und dies, obwohl er sich erst kurz zuvor geboostert hatte. Auf 𝕏 meldete er sich damals mit einem inspirierenden Post: «...Corona hat mich trotz Booster auch erwischt…».
Nachfolgend rollte der nächste Protagonist auf die Bühne, Islam Alijaj. Eine Person, welche Beachtliches geschafft hat, da er trotz einer Zerebralparese, welche ihm Bewegungen und sogar auch das Sprechen erschwert, 2023 überraschend den Sprung in den Nationalrat geschafft hat. Er politisiert für die Fraktion der SP und darf sich seit diesem Jahr «Social Innovator» nennen, ernannt durch die Schwab Foundation von WEF-Gründer Klaus Schwab. Am WEF in Davos wurde Alijaj begleitet von einer Frau, die die Aussagen von ihm in verständlicher Form weitergab. Wobei ich den Eindruck hatte, dass ich ihn gut genug verstehe und dies eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Allenfalls sahen dies die Dolmetscher anders.
Medial wurde Alijaj auch bekannt, da er 2021 eine medizinische Triage ins Spiel brachte. Er fürchtete, dass Menschen mit Behinderungen im Falle einer Priorisierung in den viel beklagten, überlasteten Spitälern den Kürzeren ziehen würden. Auch wenn er dies nicht aktiv gefordert hatte, resultierten aus der Triage-Debatte eine Spaltung der Gesellschaft und menschenfeindliche Ideen, wie zum Beispiel, dass Ungeimpfte im Falle einer Triage keine Behandlung bekommen dürfen, auch wenn diese nicht im Zusammenhang mit einer Viruserkrankung steht. Ruth Humbel (Die Mitte), welche im Jahr 2021 die nationalrätliche Gesundheitskommission präsidiert hatte, meinte damals zur Debatte um behinderte Menschen in der Triage: «Es kann nicht sein, dass Ungeimpfte bei der Triage gegenüber Krebs-Patienten oder Menschen mit Behinderungen bevorzugt behandelt werden».
Die dritte im Bunde war Kathy Talikowska, CEO der Organisation «The Valuable 500», welche 2019 am WEF gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, die Exklusion von Behinderten in der Gesellschaft zu beenden, und zu welcher bereits über 500 Unternehmungen gehören. Darunter durchaus auch sehr namhafte Firmen wie zum Beispiel PWC oder UBS, welche allesamt während der Jahre der Corona-Hysterie keine Silbe über die Lippen brachten, um sich für Menschen mit Nachteilen durch die Massnahmen einzusetzen. Wobei sich mir unweigerlich die Frage aufdrängt, ob es sich beim Engagement aller Protagonisten, welche sich hier zu Inklusion äussern, nicht allgemein um Menschen mit unterschiedlichen, gesundheitlichen Ausgangslagen handeln sollte. Sollte Inklusion nicht eigentlich bedeuten, dass wir einander alle akzeptieren können, ungeachtet unserer körperlichen oder seelischen Ausgangslage? Beispielsweise auch ungeachtet eines Impfstatus? Es wird dieser Eindruck sein, welcher mich den ganzen Abend begleitet. Der Eindruck, dass die Protagonisten dieses Podiums Scheuklappen nach links und rechts haben und sich infolgedessen nur auf ihre eigene Agenda konzentrieren. Dies unter dem wohlmeinend klingenden Wort «Inklusion» zu tun, gibt wohl dem einen oder anderen das Gefühl einer moralischen Deutungshoheit oder gar Überlegenheit.
Als Vierte betrat Shanti Raghavan die Bühne. Ebenfalls ein Schwab-Social-Innovator. Sie ist Gründerin von «Enable India», eine preisgekrönte Nicht-Regierungsorganisation (NGO), die versucht, das Leben von Behinderten zu verbessern. Sie selber kam offenbar zu diesem Engagement, respektive zur dazugehörigen Überzeugung, nachdem ihr Bruder erblindet war. Wenn man ihre Aktivitäten kurz googelt, kommt man ziemlich schnell auch zu zweifelhaften Veranstaltungen. Beispielsweise machte sie 2020 bei einem Online-Event mit, welcher sich «Queering Quarantine» nannte und sowohl im Zeichen der Diversität als auch im Zeichen mentaler Erkrankungen während der Covid-Jahre stand. Wer nun meinte, es handle sich hier um eine Widerstandsgruppe gegen die Zwangsmassnahmen, welche so viel psychisches Leid verursachten, der irrt gewaltig. Gemäss dem Beschrieb ging es darum, einfacher mit der COVID-Situation umzugehen, sich also damit zu arrangieren. Wer in dieser Zeit ein tatsächliches Interesse daran hatte, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit psychischen Problemen zu unterstützen, hat sich für die Aufhebung der unnützen und schädlichen Massnahmen eingesetzt – und nicht die Lebensumstände darauf ausgerichtet.
Zu guter Letzt betrat noch David Edwards die Bühne. Der Generalsekretär der Lehrergewerkschaft «Education International». Eine Organisation, welcher weltweit 32 Millionen Lehrerinnen und Lehrer angehören. Seine Schwerpunktthemen liegen daher auch in der Bildung, wobei er gerne auf die knapp 250 Millionen Kinder hinweist, welche nicht zur Schule gehen können und die weltweit über 40 Millionen fehlenden Lehrkräfte, welche diese Kinder unterrichten sollten. In diversen Agendas hätten sich die Staaten verpflichtet, für die notwendigen Entwicklungen finanzielle Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um das globale Ziel einer inklusiveren Bildungsmöglichkeit, auch für Menschen mit Behinderungen bis 2030 zu ermöglichen. Leider sehe es punkto Zielerreichung nicht sehr gut aus. Auch hier sind wieder eigene Standpunkte und Interessen auffällig dominant vertreten, wobei es so scheint, als wäre «Inklusion» nur der Türöffner, um diese Ziele zu erreichen.
Auch ist mir ein Video bekannt von diesem besagten David Edwards, in welchem er die Covid-Impfung und diejenigen, die daran arbeiten, lobpreist und sich für die Eindämmung der Pandemie mittels Impfung ausspricht. Dass vielen Menschen durch die mit den Covid-Spritzen verbundenen Zertifikate der Zugang zu Bildung verweigert wurde, wird grosszügig ignoriert. Ob er damit wirklich den Lehrerinnen und Lehrern gedient hat, sei mal dahingestellt. Im selben Video beklagt er zudem, dass Menschen mit Stereotypen konfrontiert und gemobbt werden, anstatt dass man sie mit ihren Unterschieden willkommen heisst. Dies im selben Video auszudrücken, in welchem man eine Spritze unterstützt, welche zu Ausgrenzung und Mobbing geführt hat, ist schon etwas gar makaber für meinen Geschmack.

Körperliche Leiden – nur eine Frage der Identifikation?
Bevor man zur Diskussion überging, durfte auch WEF-Direktor Alois Zwinggi noch kurz die Bühne betreten. Er richtete herzliche Willkommensworte an alle Besucherinnen und Besucher des Open WEF und strich die Bedeutung der Hintergedanken der Diskussion «Gerechtigkeit für alle», respektive «Eine Welt ohne Barrieren» hervor. Ob er wohl in den vergangenen Jahren auch auf den Strassen von so vielen Schweizer Städten marschierte, um solche Ideale zu verteidigen? Ich habe ihn zumindest an keiner Freiheits-Demo während der Corona-Pandemie wahrgenommen. Auch habe ich keine kritischen Artikel von ihm gelesen. Vielleicht wären Slogans wie «Gerechtigkeit für die staatstreuen Schafe» oder «Wir kontrollieren die Barrieren dieser Welt» ehrlicher.
Die Debatte ist ziemlich schnell zusammengefasst. Zuerst ging mal Redezeit flöten, damit Kathy Talikowska allen Anwesenden erklären konnte, wie sie aussieht und was sie heute trägt. Möglicherweise bedeutet Inklusion für einige Personen, dass man sich als «weiss gelesene Frau mit schulterlangem, dunklem Haar» vorstellt (aus dem Englischen übersetzt), respektive, dass man ein schwarzes Shirt trägt. Somit wären offenbar die grössten Herausforderungen punkto Inklusion beseitigt. Es erinnert an die vielen Unternehmen, welche sich Diversität in ihre Werte-Charta schreiben und diese Mission als erfüllt betrachten, wenn sie einmal im Jahr ihr Logo in einem Regenbogen-Design posten. Ob ich schon sprachlich daneben greife, wenn ich mich als weisser Mann identifiziere und nicht als «weiss gelesener Mann»? Oder darf man sich, getreu der woken Agenda hier auch als etwas anderes identifizieren? Dürfte ich mich einer Person mit Sehbehinderung gegenüber als 2 Meter grosser Afroamerikaner identifizieren, mit gut trainiertem Sixpack?
In der eigentlichen Diskussion herrscht dann wieder blanker Konsens. Darüber, dass es ein gewaltiges Potenzial für Firmen gibt, vermehrt auf behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu setzen. Auch auf das Innovationspotenzial, das Firmen durch neue Denkweisen und das Ansprechen neuer Zielgruppen gewinnen könnten. Es sei wichtig, bereits bei der Bildung zu versuchen, über die jeweiligen Einschränkungen hinwegzuschauen und das Potenzial in den Menschen zu erkennen. Ein Gedanke, welchen ich zu einem sehr hohen Mass teile. Gute Lösungen entstehen, davon bin ich fest überzeugt, aus dem Diskurs und der Diversität von möglichst unterschiedlichen Standpunkten und Betrachtungsweisen. Eine tragfähige Lösung findet man am ehesten dann, wenn man sich nicht auf Positionen, sondern auf die darauf zugrundeliegenden Interessen konzentriert. Je differenzierter die vorhandenen Meinungen und Ansichten sind, desto besser und tragfähiger werden die entwickelten Lösungen sein. Auch seien ja Behinderte die besten Problemlöser, da sie sich täglich mit Herausforderungen herumplagen müssen, welche man sich als Person ohne Einschränkung gar nicht vorstellen kann. Nach 2020 sind nach meinem Dafürhalten die Ungeimpften in der Gesellschaft wohl ähnlich gute Problemlöser, wenn man dieser Argumentation folgt.
Shanti Raghavan betonte ebenso, dass die eigentlich grösste Behinderung der Menschen sei, die Fähigkeiten von anderen Menschen zu übersehen. Da würde ich sogar auch zustimmen. Ein Satz von Kathy Talikowska prägte sich besonders ein: Nämlich, dass rund ein Siebtel der neu eingeschulten Kinder in der Welt sich als Kinder mit «Special needs», also mit besonderen Bedürfnissen, identifizieren. «Identifizieren». Da ist es schon wieder. Dieses Wort geht nur schwer in meinen Kopf hinein. Ein Wort, welches seine Prägung nicht zuletzt aus der Woke-Debatte hat, in welcher man sich zu so ziemlich allem identifizieren kann. Womöglich war dies einfach vorsichtig ausgedrückt.
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Aber die Frage drängt sich mir schon auf, wie sich dieses Siebtel zusammensetzt, wenn eine Behinderung eine Frage der Identifikation ist. In meinem Umfeld leben viele Personen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen. Nicht unbedingt ein Siebtel, aber ich habe diese Personen auch noch nie davon sprechen hören, dass sie sich als behindert identifizieren. Ich frage mich auch, ob heute eher häufig diagnostizierte und in der Regel medikamentös behandelte Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den Verhaltensweisen von Kindern in diesem Kontext miteinberechnet wurden. Allenfalls auch psychische Erkrankungen, welche ja in den vergangenen Jahren auch stark zugenommen haben? Wie sieht es aus mit Personen, welche dem Unterricht aufgrund einer intellektuellen Überforderung nicht folgen können? Fragen, die leider unbeantwortet blieben.
Auch dass Lehrer die wohl meistgesuchten Fachkräfte der Welt sind, welche mit der Bildung der angesprochenen Kinder betraut werden sollen und somit eine wichtige Rolle einnehmen werden, wird erneut diskutiert. Somit geht der Ball an David Edwards, der über die Entwicklungen der letzten Jahre spricht. Er berichtete von einem Mädchen mit Sehbehinderung aus Schottland, welches während der Corona-Jahre Bildung nur noch visuell über den Bildschirm erhalten hat, wie so viele Kinder in dieser Zeit. Für sie muss es besonders schwierig gewesen sein, sich an einem vorwiegend auf einem Bildschirm stattfindenden Unterricht zu beteiligen. Auch hier bleibt der kritische Fokus auf die unnützen Massnahmen gänzlich aus und es wird viel lieber darüber berichtet, dass man dem Mädchen Hilfsmittel beschaffen konnte, womit es wieder besser am Unterricht teilnehmen konnte. Krisen sollen somit eher verwaltet und möglichst bewirtschaftet, anstatt vermieden, angegangen und gelöst werden. Ein Mann in so einer Position hätte mutig vorangehen können und viel Gutes für Schüler und Lehrer bewirken können, wenn er entsprechend für die Aufhebung der Massnahmen geworben hätte.
Eine ganz schüchterne Kritik dringt doch noch durch, wenn Edwards von «der grössten Störung des Bildungssystems in der Geschichte» spricht. Zugleich aber auch betont, wie man sich mit den neuen Herausforderungen arrangieren konnte. Man kann alle Positionen so zusammenfassen, dass man trotz grosser Einflussmöglichkeiten und Verantwortung lieber mit dem Strom schwimmt als dagegen. Einen Eindruck, welchen alle Protagonisten bei mir hinterlassen. Eine Haltung, welche man auch in der Schweiz von Verbänden und Vereinen nur zu gut kannte. Es war stets viel angenehmer, sich in der wärmenden Wiege der staatlichen Fürsorge und des kollektiven Mitläufertums zu wissen, als wirklich für die Menschen, die man vertritt, einzustehen. So wie viele Empfänger von Corona-Krediten, welche auch heute noch mit den finanziellen Folgen dieser Kredite zu kämpfen haben und so langsam aber sicher feststellen dürfen, dass sie sich ihre Zustimmung und ihr Schweigen zu den Massnahmen teuer erkauft haben.
Die Dauerwütigen und die Alleskönner
Moderator Gredig fragte zwischenzeitlich Islam Alijaj, ob er wütend sei, dass es mit der Inklusion nur schleppend vorwärts geht. Seine Antwort war, dass bei ihm wütend ein Dauerzustand sei, aber dass er sich auf Lösungen und sein Ziel fokussieren möchte. Er möchte, dass seine Mitmenschen keine Angst haben, mit ihm zu sprechen. Auch stellt er die Frage in den Raum, warum man beispielsweise nicht mal einen behinderten Bundesrat diskutieren oder einen UBS-Chef mit einer Behinderung berücksichtigen könnte. Dies erinnert mich ein Stück weit an die Frauendebatte, als bei der Besetzung von Kaderpositionen oder auch bei führenden Politikern die Lage der Reproduktionsorgane im Inneren des Körpers von gewissen Organisationen höher gewichtet wurde als die individuellen Fähigkeiten oder das schulische Wissen. Sollte eine Person mit einer körperlichen Einschränkung die nötigen Fähigkeiten mitbringen, eine solche Position zu bekleiden – wieso nicht! Jedoch soll auf keinen Fall jemand nur ein Amt oder eine Position bekleiden, weil er die gewünschten körperlichen Voraussetzungen mitbringt. Es wird von den Teilnehmenden der Gedanke propagiert, Behinderte sollen aufgrund ihrer Behinderung für Jobs besser berücksichtigt und inkludiert werden, man solle sie mehr berücksichtigen.
Eine Aussage, welche ich nicht vollumfänglich teilen würde. Bei aller Liebe zur Gleichberechtigung und Diversität: Aber möchte ich, dass in einem Notfall eine Person mit körperlicher Einschränkung für mein Leben verantwortlich ist? Möchte ich mir beispielsweise Islam Alijaj als Opernsänger anhören? Oder als Pilot? Schon die Kommunikation mit dem Tower wäre mühsam, aber möchte ich auch im Falle einer Evakuierung die Verantwortlichkeit jemandem überlassen, der selbst auf Hilfe beim Verlassen der Gefahrenzone angewiesen ist? Müssen Minen für seltene Erden in Afrika nun auch rollstuhlgängig ausgebaut werden? Es wird unweigerlich Grenzen bei den Möglichkeiten geben. Die Debatte muss dahingehend ausgerichtet werden, wo und wie, respektive vor allem zu welchem Preis wir diese Grenze ansetzen – immer mit Augenmass zwischen der finanziellen Verhältnismässigkeit und der Würde der betroffenen Menschen. Dazu fehlt in der Diskussionsrunde aber die Bereitschaft und die Nähe zur Realität.
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Dass Islam Alijaj als Person mit eingeschränkter Sprechmöglichkeit sich in einem Job durchsetzen konnte, in welchem nach heutiger Vorstellung das Halten von Reden zu einer der wichtigsten Tätigkeiten gehört, ist schon ein Wunder. Vielleicht ist es auch ein überfälliger Paradigmenwechsel hin zu Politikern, welche vorzugsweise weniger an ihren Reden und eher an ihren Taten gemessen werden. Aber dennoch: Auch hier wird es Grenzen geben. Möchte ich Islam Alijaj, bei allem Respekt vor ihm, nach Brüssel schicken, um die Schweizer Interessen zu vertreten und unsere Positionen zu verhandeln? Mal abgesehen davon, dass es mir ein Graus wäre, eine solche Aufgabe einem Politiker aus der EU-Turbo-Partei SP anzuvertrauen und ebenfalls abgesehen davon, dass ich keinen Grund für die Aushandlung eines Abkommens mit diesem undemokratischen Konstrukt sehe. Ich würde diese Aufgabe einer redegewandteren Person anvertrauen, welche mit ihrer Wortgewalt unsere Standpunkte überzeugend verbal und nonverbal vermitteln kann. Macht mich das nun zu einer Person mit mangelhafter Empathie oder ungenügender Rücksicht auf Inklusionsbedürfnisse?
In der Schlussrunde herrscht die grosse Einigkeit, dass Firmen mehr Behinderte in allen Positionen, vor allem in führenden Aufgaben benötigen. Da muss man mehr machen, und die Firmen sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Vielleicht haben wir damit sogar das perfekte Motto für das WEF gefunden: «Jemand muss etwas tun». Angesichts der grossen Einflussmöglichkeit auf Firmen und Führungskräfte erstaunt dies schon, hätte doch allein Kathy Talikowska über 500 Firmen, auf welche sie dahingehend Einfluss nehmen könnte.
Es erinnert an die Klimakonferenzen und andere Tagungen der Weltelite, wo immer irgendwelche Beschlüsse beklatscht werden und jeder dann nach Hause geht im Wissen, dass es jemand anders tun muss. Nur wenige Staaten wie die Schweiz und Deutschland machen sich jeweils wie ein Streber aus der ersten Reihe daran, sich zu deindustrialisieren und ihren Wohlstand in vorauseilendem Gehorsam zu vernichten, bis sie dann bemerken, dass sich sonst niemand an die vereinbarten Ziele hält und die verbindlichen Fristen und Zielwerte dann doch wieder den Interessen der Grossmächte angepasst werden. Immer im Wissen, dass bald schon wieder ein Konferenzchen stattfinden wird, an welchem man wieder gut residieren und irgendwelche Floskeln beklatschen kann.
Der schmale Grat zwischen Inklusion und Ausgrenzung
Zum Abschluss dieser Podiumsdiskussion, welche eher an einen Literaturclub erinnerte, wird dem Publikum tatsächlich noch die Möglichkeit eingeräumt, Fragen zu stellen. Es schnellen einige Hände nach oben. Die Berücksichtigung fällt ausschliesslich auf die vordersten zwei Reihen. Die Fragen sind hinsichtlich Wissenszugewinn eher fragwürdig und decken sich fast vollumfänglich mit Antworten, welche bereits während dem Podium besprochen wurden. Als ob die Fragenden gar nicht zugehört hätten oder gewisse Aspekte, wie die Rolle von Führungskräften, nochmals repetieren möchten. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Schule, wo nach dem Unterricht alle nach Hause gehen wollten, bevor ihnen das Gesicht gänzlich einschläft, aber irgendein Ultra-Kevin, immun gegen jegliche Bildung, noch eine Frage stellen wollte, mit welcher er die ganze Klasse zum Sitzenbleiben zwang. Eine Frage, welche mit einem Minimum an Aufmerksamkeit im Unterricht oder manchmal auch einem Minimum an Verstand überflüssig gewesen wäre. Auch ich hätte am Open WEF gerne eine Frage gestellt. Mindestens eine. Vor allem hätte ich wissen wollen, ob die Anwesenden ihren eigenen Aussagen auch zustimmen würden, wenn man jeweils die «behinderten» durch «ungeimpfte» Personen ersetzen würde?
Beispielsweise, dass man das Potenzial von ungeimpften Personen auf dem Arbeitsmarkt besser nutzen soll, oder sich mehr für die Integration von Ungeimpften in Bildung und Job engagieren sollte. Respektive unnütze und diskriminierende Hürden abbaut, respektive aus dem Zeitalter der Massnahmen die richtigen Lehren zieht, damit sich ein solches menschenverachtendes Gebaren nie wiederholen kann. Oder warum nicht ein ungeimpfter UBS-Chef oder Bundesrat? Warum nicht die Diversität dahingehend interpretieren, dass auch andere, vom Mainstream abweichende Meinungen, eine Bereicherung für jede Firma sein können?
Ich gehe davon aus, dass die Lobeshymnen und die Zustimmung zur selbstdeklarierten Diversität ausnahmslos bei allen Teilnehmenden an diesem Punkt zu Ende wären. Aber wieso? Sind denn ungeimpfte Personen, oder Menschen, welche sich bedingungslos für die individuelle Freiheit engagieren, weniger wert als Personen mit körperlichen Einschränkungen? Oder verfolgt wohl doch jeder einzelne Teilnehmer seine eigene Agenda, in welcher es für Meinungsdiversität und fehlende Systemtreue keinen Platz gibt? Auch wenn alle den Wert des kollektiven Fortschritts hervorheben, hat doch jeder Protagonist am WEF seine eigene Weltanschauung und seine eigene persönliche Agenda. Dies wird auch bei dieser Podiumsdiskussion mehr als deutlich.

So reise ich nach knapp zwei Stunden wieder aus Davos ab. Vorbei an all den Nobelkarossen – übrigens kaum Stromer, fast alles Verbrenner –, welche den Verkehr in dieser idyllischen Alpenstadt auch in den späten Abendstunden noch zum Erliegen bringen. Es bleibt bei mir die Frage, ob ich einfach nur Pech hatte, oder ob alle Diskussionen an diesem WEF derart oberflächlich, vorhersehbar und ergebnislos verlaufen?
Wenige Tage später erhielt ich übrigens einen Umfragebogen, in welchem ich das WEF bewerten und meine Take-aways, also was ich gelernt und mitgenommen habe, umschreiben darf. Nun ja … Ich habe etwa dasselbe geschrieben wie in diesem Bericht. Nur auf weniger Zeilen. Kurz gesagt, fühle ich mich im Handeln der letzten Jahre bestätigt, in welchen ich integer meinen Werten gefolgt bin, ungeachtet von Repressionen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zukünftige Sicherheitsüberprüfungen für meine Teilnahme an einer solchen Diskussionsrunde am WEF, spätestens nach diesem Fragebogen, nicht mehr erhalten werde. Ich werde diesen Verlust verkraften. Meiner ausbleibenden Teilnahme am Open WEF werde ich etwa so viele Tränen nachweinen, wie wenn das WEF gänzlich aus Davos verschwinden und sich die Eliten dieser Welt an einem anderen Ort selbst beweihräuchern würden.
Daniel Walti ist Abteilungsleiter bei einer Bahnunternehmung und studiert berufsbegleitend an der Hochschule Luzern sowie an der Harvard University – Division of Continuing Education (USA) mit Schwerpunkt Leadership & Management. Er engagiert sich aktiv in der Bürgerrechtsbewegung MASS-VOLL!. Als ehemaliger Profi-Sportler und leidenschaftlicher Unihockeyspieler setzt er sich für diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen im Sport ein. Mit der Organisation «Unihockey für alle» unterstützte er Sportler, die von der Corona-Politik der Behörden und Verbände im Unihockeysport betroffen waren.
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