Berufsmatura? Teufelszeug!
Der technokratische Lehrerverband um Präsidentin Dagmar Rösler ist einmal mehr auf dem Holzweg.
Von Jérôme Schwyzer
Es ist schon fast so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn irgendjemand einen konstruktiven Vorschlag macht, wie man unser Bildungssystem verbessern kann, eine Forderung, die insbesondere darauf abzielt, unsere Schulen praxisorientierter oder kinderfreundlicher zu gestalten, meldet sich der Schweizerische Lehrerverband in Person von Präsidentin Dagmar Rösler reflexartig zu Wort und erklärt, weshalb dies aus Sicht der Lehrer und Lehrerinnen (denn für diese spricht Frau Rösler ja!) ganz und gar keine gute Idee sei. Meistens wird dieser Reflex ausgelöst, wenn ein Vorschlag nicht von Links-Grün kommt, sondern von rechts der Mitte.
Neulich wieder geschehen bei einem Vorschlag aus dem Bundesparlament: Politiker bis weit in die Mitte fordern die Zulassung von Berufsmaturanden an die Pädagogische Fachhochschule. Eine gute, vor allem auch naheliegende Idee, würde man meinen – vor allem im Hinblick auf den akuten Lehrermangel. Pragmatisch und sinnvoll.
Aber nein! Teufelszeug, warnt Frau Rösler in der NZZ am Sonntag, denn alle angehenden Lehrer in diesem Land bräuchten «vergleichbares Grundwissen». Im Klartext: Das intellektuelle Rüstzeug eines Berufsmaturanden reicht nach Ansicht von Frau Rösler nicht aus, um eine Ausbildung als Lehrer in Angriff zu nehmen. Wer Lehrer werden will und keine Matura hat, soll gefälligst die Passerelle absolvieren und somit eine angebliche Bildungslücke schliessen, von der Frau Rösler allein weiss, weshalb das Schliessen ebendieser Lücke einen zu einem besseren Lehrer macht.
Dass damit fähige Menschen vom Lehrerberuf abgeschreckt werden, scheint Dagmar Rösler nicht weiter zu interessieren. Auch nicht, dass eine Berufsmaturität für die allermeisten Studiengänge an Fachhochschulen zur Zulassung ausreichend ist und viele motivierte Leute dann einen anderen Bildungsweg einschneiden und schliesslich in unseren Schulzimmern fehlen.
Eines gilt es an dieser Stelle deshalb einmal in aller Deutlichkeit festzuhalten:
Wir brauchen nicht mehr Akademiker in unseren Klassenzimmern, sondern weniger. Wir brauchen keine Theoretiker, sondern Praktiker. Wir brauchen Leute aus den breiten Bildungsschichten in unseren Klassenzimmern – und nicht eine akademische Elite.
Was einen guten Lehrer ausmacht, sind nicht das Lösen von Integralgleichungen, insbesondere nicht Bachelor- und Masterarbeiten, sondern Menschenverstand, Mut, Menschenkenntnisse und eine Liebe zu unseren Kindern. Was es ferner und vor allem braucht sind Lehrer, die wissen, was es heisst, etwas zu erwirtschaften – und die damit auch unsere Kinder auf ein Leben in der Berufswelt vorbereiten können.
Schon in meiner Ausbildung zum Lehrer war es auffällig, dass die fähigsten Studenten Menschen waren, die eine Berufstätigkeit in ihrer Biografie vorweisen können. Denn Broterwerb erdet.
Deshalb gilt festzuhalten: Der Vorstoss des Parlaments geht in die richtige Richtung. Öffnen wir also die Pädagogischen Hochschulen für Berufsmaturanden. Wir sorgen damit nicht nur dafür, dass es wieder mehr Lehrer gibt, sondern dass die Lehrer und Lehrerinnen an unseren Schulen wieder praxisnäher funktionieren. Damit ist allen geholfen und gedient.
In einem nächsten Schritt wäre schliesslich dringend zu hoffen, dass die Politik die Pädagogischen Fachhochschulen durchleuchtet. Denn die Ausbildung, welche dort angeboten wird, ist praxisfern und deshalb untauglich für einen Alltag als Lehrer.
Die hohe Anzahl an Lehrerinnen und Lehrern, die schon nach wenigen Monaten oder Jahren aus Überforderung ihren Beruf wieder an den Nagel hängen, weil die akademisch-verwissenschaftlichte PH sie in keiner Weise adäquat auf den Berufsalltag vorbereitet, spricht Bände. Frau Rösler ist definitiv auf dem Holzweg.
Jérôme Schwyzer (38), Präsident des Lehrernetzwerks Schweiz, ist Vater zweier schulpflichtiger Töchter und ausgebildeter Sekundarlehrer.
Wir danken dem Autor für die Veröffentlichung des Artikels. Gastbeiträge müssen nicht zwangsläufig die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Danke, genau meine Meinung. Zusätzlich das idiotische Bologna system sofort abschaffen, das ist auch teil der Ursache für die falsch und nicht vernetzt ausgebildeten Jugendlichen. Multiple Choice gehört ebenfalls in die Kiste, ich merke immer wieder, dass die Berufs oder Studienanfänger nicht kombinatorisch denken können, sielernen nur Details und Narative
Danke für Ihre klaren Worte, Herr Schwyzer! Als dem ‚gesunden Menschenverstand‘ verbundener Patriot kann ich nur auf eine Abwahl von Frau Rösler hoffen. Wie sehr sollen Staat und junge Generation noch weiter beschädigt werden, bis auch die vielen rot-grünen Empfänger staatlicher Zuwendungen den Irrweg erkennen ? Die Exzesse, auf der anderen Seite, der von ihrer Spiellust bzw. Gier verblendeten Turbokapitalisten zu stoppen wird wohl dem Systemkollaps zu überlassen sein.